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das Schnatterboard
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 Betreff des Beitrags: Farbreduziert
Ungelesener BeitragVerfasst: So 20. Jun 2021, 14:19 
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Farbreduziert

Deine Neugier, sie hat keine Grenzen – Ob, man Farben fühlen kann, möchtest Du wissen? Kann man Blau schmecken? Ist der Wind kunterbunt?

Die Sonne ist Gelb – Das, weißt Du von mir – Sonne, Du kannst sie fühlen, hältst Du Deine Hände, Dein blasses Gesicht, unter das Glühbirnenlicht – Sonne, Du liebst sie, weil Du anhand der Wärme eine Vorstellung von ihr hast.

Sterne, ich habe zwei davon auf Deine Stirn gelegt, die restlichen an der Decke über Deinem Bett befestigt – Das Papier, Du hast Dich geschnitten – Seitdem glaubst Du, alle Sterne verletzen, alle Sterne sind blutrot – Rot, Du weißt, wie es schmeckt – Kannst es benennen.

Regen, wir ihn selber machen – Wasser rinnt durch das angerostete Teesieb auf Deine wackelnden Zehe – Regen kitzelt, Regen ist nass, ist mal kalt, mal warm – Regen riecht manchmal nach Pfefferminze.

Deine kleine Hand, sie führt die Meine – Graue Graphitlinien auf vergilbten Papier – Wir malen zusammen unsere Welt – Schwarz und Grau – Ton in Ton – Ehrfurchtsvoll gleiten Deine kleinen schmalen Finger über das geschaffene Werk – Grau in Deinen Schleifen, Bögen und Minutien – Grau, ein Dir vertrauter Geschmack – Er sättigt Dich, jedoch, wie lange noch?

Ungefähr – Eines der Worte, das Du sehr oft benutzt – Wie ungefähr, fühlt sich sonnenwarmer Meeressand an? Wie ungefähr, schmeckt Brombeereis? Wie ungefähr, wispert der Wind? Wie ungefähr leicht, ist ein Schmetterling? Wie ungefähr, klingen Glocken? Wie ungefähr, leuchten Wunderkerzen? Wie ungefähr hoch, sind Berge? Wie ungefähr, zwitschern Vögel? Wie ungefähr, raschelt Laub? Wie ungefähr, klingt eine Geige? Wie ungefähr rau, sind die Rinden der Bäume?

Deine DIN-A4 Welt – Rückseitenpapier – Zum Schreddern, zum Vernichten freigegeben – Zahlenreihen, irgendwelche Bilanzen – Nüchterner Buchhalterkram – Unpersönlich und wenig aufschlussreich - Ich hasse diese Zahlen, denn, mein Geist, giert nach Anregungen – Er verkümmert, er verkümmert.

Kopierpapier - Jede Nacht zeichne ich einige neue Schwarzweißkapitel hinzu – Du liebst diese Bleistiftreisen – All meine Erinnerungen sind noch da – Ich gebe sie an Dich weiter – Vermittle Dir Wissen – Du bist so unsagbar neugierig und schlau, mein Engelchen – So viel Potential, so viel Talente – Was alles könnte aus Dir werden?

Phantasie – Meine große Trösterin – Unendliche, Du lässt meine Gedanken fließen – Wortformerin – Gänsehautbuchstaben Du erschaffst - Du Auge meiner Seele - So wenig davon noch übrig ist – Elora, meinen kleinen Engel machst Du glücklich, was einzig und allein wichtig für mich ist – So viele Gedankenfenster, unzählige Welten, Millionen von Türen – Freiheit, Du gaukelst sie mir vor.

Gitter, obgleich nicht vorhanden, zerteilen sie dennoch meinen Blick – Oh, mein kleiner Liebling, Du vermisst nicht, was Du niemals kennengelernt hast – Dein Glück, Dein Leben, Dein Alles, bin ich – Das hier ist Deine Welt – So groß, so weitläufig, so geheimnisvoll sie Dir erscheint – Für Dich bedeutet hinter den Türen, das Hier – Unser Außen ist in unserem Inneren.

Ich sehe mich nach dem Davor – Dein Davor bin ich – Dein Davor ist Jetzt – Ich vermeide es, auf ein Danach zu hoffen – Trotz allem, versuche ich perfekte kleine Augenblicke für Dich zu kreieren – So liebevoll Deine Umarmungen – Mein Herz tanzt – Deine Seele, sie ist so groß – Wie nur schafft es Dein schmächtiger Körper diese zu tragen?

Du, mein geliebtes kleines großes Wunder, hättest all die Wunder dieser Welt verdient – So unerträglich darüber meine Seelenschmerzen – Ich wünschte, ich könnte IHN, statt meiner Tränen, wegwischen.

Ich lächle, lächle für Dich, obwohl ich gleichzeitig zu zerbrechen drohe – So viele Narben, auf meiner Seele, so viele Wunden, in meinem Herzen - Ich werde alles tun, um Dich davor zu bewahren – Ich versuche nicht daran zu denken, was mir fehlt, was ich vermisse, sondern mich an dem zu erfreuen, was ich habe.

Geräusche vor unserer Stille – Kurze Vorwarnzeit – Anfangs stellte ich mir vor, dass dort draußen hinter der Tür, Treppenstufen wären, wie hier, vielleicht ein Boden aus blankem grauen Beton.


Irgendwann habe ich die Tage und Nächte, die Zeit verloren – Es gibt nur das Jetzt – Jahreszeitengerüche, oh, wie sehr ich sie vermisse – So reizarm, so arm, so armselig unser beider Leben.

Es ist Zeit für unser Spiel - 1,50 Meter lang, 1,20 Meter breit, 1,00 Meter hoch, genügend Luftlöcher auf der rückwärtigen Seite – Nicht mehr lange, und, Du wirst nicht mehr in die graue Holztruhe hineinsteigen wollen – Die Enge wird Dich ängstigen, Dir scheinbar die Luft zum atmen nehmen – Ich muss Dich nicht daran erinnern, den Innen angebrachten Riegel zu benutzen – Dein Schutz, Dein halbwegs sicherer Hort – Noch.

Ich fürchte den Tag der Tage – Wenn ER Dich sieht, wenn ER begreift, wenn meine Lüge offensichtlich wird – Kein Knabe, wie ich IHM, die ganzen vier Jahre seit Deiner Geburt habe weismachen können.

Ich habe Dich allein entbunden – ER, aus was für Gründen auch immer, hat Dich mir gelassen – Dieses Privileg, wie ER es nennt, muss ich mir, taucht ER auf, jedes Mal wieder verdienen – ER steht nicht auf Blümchensex – Folter, Erniedrigungen, körperliche und seelische Gewalt - Manchmal hat ER einen Hund dabei – Manchmal verbrennt ER meine Haut – Manchmal beißt ER mich und trinkt mein Blut – Ich bin mir sicher, heute wird es schlimmer als schlimm.

Eine Woche Entzug – Geschäftsreise – Dort spielt ER den Biedermann – Ich habe Angst – Darf, wenn ER mich misshandelt, nicht schreien, manchmal nicht mal Stöhnen – ER will, dass ich IHM vermittle, ich würde die Schmerzen wollen, würde sie genießen – Sein Druckmittel, Du.

Dein Versteck, es ist vorbereitet, immer. Eine Flasche Wasser, eine Scheibe trockenes Brot, Dein Kopfkissen, eine Decke, Watte, für Deine Ohren - SEINE Stimme, SEIN grunziges Stöhnen, SEINE verletzenden Worte, Du sollst sie nicht hören, Deine zerbrechliche Seele nicht damit belasten.

Schlafe, mein Engelchen, schlafe! Oder aber zeichne mir eine Geschichte – Etwas Schönes soll es sein – Du weißt, dass ich mir das wünsche – Die Taschenlampe, nur für diese Gelegenheiten wird sie benutzt, schenkt Dir das nötige Licht – Du weißt, die Batterien müssen lange halten, denn, wir wissen nicht, ob ER uns neue zugesteht.

Mein grauer Liebling, in Deiner grauen Kiste - Mit Deinen grauen Stiften, malst Du mir Deine farbreduzierte bunte Gedankenwelt – Anregungen erhältst Du nur von mir – Keine Bücher, keine Spiele, keine Puppe, nichts – Jedoch, wir haben Mäuschen – Auf einmal war sie da – Grau, klein, niedlich, hungrig – Was hast Du gestaunt, denn, niemals zuvor, außer IHM, war jemals etwas von draußen zu uns hereingekommen.

Mäuschen ist bei Dir, Mäuschen leistet Dir Gesellschaft – Du hast strikte Order, sie nicht aus ihrem Glas herauszulassen, so lange Du in der Kiste bleiben musst – Denn, Du weißt, ER darf Dich weder hören noch sehen, Du darfst keinerlei Aufmerksamkeit erregen.

Bis heute kennst Du weder SEINEN Namen, noch SEIN Gesicht – Für Dich ist ER ER – Weißt, dass ER uns Essen bringt, damit wir überleben – Minderwertige Füllstoffe, überwiegend Fastfood, kaum frisches Obst oder Gemüse – Ich habe IHN um Vitamintabletten gebeten – Du hasst sie, Engelchen, weil sie extrem sauer sind, nachdem ich sie für Dich pulverisiert habe.

Mangelernährung, sie ist Dir nicht bewusst, denn, Du kannst Dich nicht sehen, da die beiden kleinen Zimmer keinen Spiegel haben – Die Einrichtung ist spartanisch, wir sind IHM nicht viel Wert – Wir sind austauschbar, jederzeit – Dort draußen gibt es, und das betont ER immer wieder, Tausende, die jünger sind als ich.

Fünf Jahre in dieser Hölle – Ich war sechzehn, als ER mich unbemerkt am helllichten Tag, direkt von der Straße weg, entführte – Fünf Jahre, die Polizei wird die Suche nach mir längst eingestellt haben – Ob es wohl noch mehr arme Seelen wie mich gibt?

Oh, mein süßer Liebling, Du bist Eric´s Kind, seine kleine Tochter, nicht die SEINE – Daran klammere ich mich – Daran glaubt ER – Ich betone es immer wieder – Sein eigen Fleisch und Blut wird ER eventuell nicht töten – Das Andere jedoch, dass, was ER mir antut …?


Je älter Du wirst, desto intensiver suche ich nach Ähnlichkeiten zwischen Deinem Papa und Dir - Ich weiß nicht, ob ich es verkraften würde, ob ich darüber hinweg kommen könnte, wärst Du SEIN ekeliges Fleisch und Blut.

Eric, meine erste große Liebe – Sein Bild verblasst mehr und mehr – Sicherlich hat er mich bereits vergessen, glaubt, dass ich nicht mehr lebe – Es ist so ungerecht, sein Leben, es geht weiter – So Viele dort draußen wissen Freiheit nicht zu schätzen.

Engelchen, Deine überschaubar kleine Welt besteht aus einem Bett, einem Tisch mit zwei Stühlen, einem Küchenschrank, mit Herdplatte, dem Kühlschrank, der Kommode, in der unsere wenige Kleidung, sowie Handtücher und Waschlappen verwahrt sind, einem Waschbecken, der Toilette, sowie mittlerweile vier großen Pappkartons, in denen sich Deine und meine Zeichnungen, Deine Rechen-und Schreibversuche, das von mir angefertigte Unterrichtsmaterial befinden.

Regenluft an SEINER Kleidung – Ich entferne sie – ER hat es eilig – Ist bereits erregt – SEIN, mir vertrauter Geruch, lässt mich noch immer würgen – Er zwingt mich auf die Knie - Ich weiß, was IHN emotional und körperlich befriedigt – Ich muss alles bei mir behalten, muss alles schlucken – ER war zuvor nicht im Bad, hat die, sich unter seiner Vorhaut befindlichen Urinreste nicht entfernt.

Ich hoffe, dass er mich heute nur mit seinen Worten verletzt, dass er mir heute nicht wieder zwei meiner Finger bricht – Die Zeit heilt alle Wunden – Lüge! Nicht hier, nicht hier!

ER versteht mein Schweigen – Weiß, wie sehr ich IHN, wie sehr ich SEIN Tun, verabscheue – Fehler – Angst, so groß sind ihre Augen – Albträume brauchen keinen Schlaf – Gefangen im lichtarmen Nicht dieses Seins, gefesselt an diesen Lebenszeitkerker, spüre ich, wie mein Herz sich mehr und mehr entkernt.

SEINE boshaften Blicke wandern durch den Raum, verweilen auf Deinem Versteck, mein Engelchen – Panik – Ich gehe durch sie hindurch – Ergreife die Initiative - Den Inhalt SEINER schwarzen Ledertasche, ich schütte sie auf den Tisch – SEINE sorgsam gepflegten Instrumente – IHN nicht aus den Augen lassend, ergreift meine Rechte das erst Beste – Nadelfolter – ER wird sie durch meine Ohrläppchen, durch meine Nasenflügel, durch meine Schamlippen ziehen, sie unter meine Nägel treiben.

Schmerzkokon – Erschöpfung - Zeitverlust – Heute wird ER nicht nach Dir sehen wollen, heute nicht – Aufbruch – Ich packe SEINE Tasche, lasse sie, erschöpft, wie ich bin, absichtlich aus meinen Händen gleiten – Dein Zeichen – Ich hoffe, Du schläfst nicht mehr – Die Tür, IHM im Rücken, vertraue ich auf Deine Augen.

Vertraute Stille – Wieder allein - Du bleibst wo Du bist, wartest auf mein Klopfen, auf meine Stimme, die Dich erlöst, denn, manchmal kommt er zurück – Ich lasse Dich erst heraus, habe ich all mein Blut, so wie all seine Körperflüssigkeiten entfernt.

7 -5 – 4 – 9 – 3 – 8 – Grauer Graphit auf vergilbtem DIN-A4 – Meine schlaue, mutige Schreibkriegerin - Der Zahlencode für unsere Freiheit – Ein Hoch auf Deine Adleraugen – ER war zu beschäftigt mit mir, so dass IHM, das erst zwei Tage alte kleine Loch in der Vorderseite der Truhe, nicht aufgefallen ist.

Nun warten wir darauf, dass ER das Haus für längere Zeit verlässt – Diese einmalige Chance, ich werde sie nutzen – Bald, vielleicht schon bald, mein Engelchen, werden wir dem Grau hier entfliehen, wird es kein farbreduziert mehr für Dich geben.


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Und sollte ich vergessen haben, jemanden zu beschimpfen, dann bitte ich um Verzeihung!
Johannes Brahms


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