Einen schönen 4. Advent Euch Allen
“Der allererste Weihnachtsbaum”Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm lief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her. Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten. Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgedacht, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen können. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.
So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzwege war, dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes, weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich.
Sogar für die Sauen gab es etwas, Kastanien, Eicheln und Rüben.
Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. “Na Alterchen, wie geht`s?” fragte das Christkind, “hast wohl schlechte Laune?” Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
“Ja”, sagte der Weihnachtsmann, “die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht, ich hab keinen Fiduz mehr dazu. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei Alt und Jung singt und lacht und fröhlich wird.”
Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: “Da hast du Recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.”
“Das ist es ja gerade”, knurrte der Weihnachtsmann, “ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh von den ganzen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weiter geht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben, als faulenzen, essen und trinken.”
Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Walde, kein Zweig rührte sich, nur, wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holze auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah nun wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, dass es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrunde stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmanns los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: “Ist das nicht wunderhübsch?”
“Ja”, sagte der Alte, “aber was hilft mir das?” “Gib ein paar Äpfel her”, sagte das Christkindchen, “ich habe einen Gedanken”.
Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps in seinem Dachsholster, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten. Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchsstamm und reichte es dem Christkindchen. “Sieh, wie schlau du bist”, sagte das Christkindchen, “nun schneid` mal etwas Bindfaden in zweifingerlange Stücke, und mach mir kleine, spitze Pflöckchen.” Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.
“So”, sagte es dann, “nun müssen auch an die anderen welche und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!”
Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll mit rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte: “Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für`n Zweck?”
“Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?” lachte das Christkind. “Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!”
Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, und dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, und dann hatte es eine silberne Nuss, und hing die zwischen die Äpfel.
“Was sagst nun, Alterchen?” fragte es dann, “ist das nicht allerliebst?”
“Ja”, sagte der, “aber ich weiß immer noch nicht ....... “Kommt schon!”, lachte das Christkindchen, “hast du Lichter?”
“Lichter nicht”, meinte der Weihnachtsmann, “aber `n Wachsstock!”
“Das ist fein”, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann: “Feuerzeug hast du noch?”
“Gewiss”, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende, und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.
Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinen halbverschneiten dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold - und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine weiße Spitz sprang hin und her und bellte.
Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.
Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte, den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus ebenso leise, wie sie es betreten hatten.
Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am anderen Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an den Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold - und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder.
Das war eine Freude in dem kleinen Hause, wie an keinem Weihnachtstage. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug und nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, was noch auf dem Arme getragen wurde, krähte, was er krähen konnte.
Vor dem Fenster aber standen das Christkindchen und der Weihnachtsmann und sahen lächelnd zu. Als es helllichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns; sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hingen sie alle daran.
Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorfe Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.
Von da aus ist der Weihnachtsmann über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.
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3. Advent
“Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt”Am Tage vor Weihnachten war das Wetter hell und klar und der Schnee festgefroren. Da sagte die Tante zu den Kindern: “Heute führe ich euch auf den Weihnachtsmarkt, lasst euch schnell die Mäntelchen anziehen und die Hütchen aufsetzen!” Das brauchte sie nicht zweimal zu sagen, in einem Augenblick waren die Kinder fertig und nun ging es hinaus in den frischen, klaren Morgen. Man dachte aber gar nicht an die Kälte, denn in den Straßen war ein so geschäftiges Hin- und Herrennen, ein so hastiges Treiben, als ob der schönste Frühling angebrochen wäre. Und fast ein Frühlingsanblick war es auch, als die Tante nun mit den Kindern in die Straße einbog, welche zum Markte führt.
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Sie hielt Georg und Mathildchen an beiden Händen und so gingen sie durch zwei lange, dichte Reihen von Fichten-und Tannenbäumen aller Art, groß und klein, hell-und dunkelgrün, die sich prächtig ausnahmen und auf dem weißen, funkelnden Schnee. Um die Bäume herum war ein Drängen und Schieben, dass man kaum vorbei konnte, und überall begegnete man Leute, die ihre Bäume schon nach Hause trugen.
“Aber, Tante”, sagte Mathildchen, “ich dachte, das Christkindchen bringt alles, und nun holen sich doch da die Menschen ihre Christbäume selbst nach Hause.”
“Das ist wahr”, sagte die Tante, “aber du vergisst, dass sie das Christkind alle hierher geschickt, und unsichtbar geht es jetzt mit dem Nikolaus umher und sieht und hört alles, was hier vorgeht. Es gibt jetzt so viele Menschen auf der Welt, dass die beiden mit dem besten Willen nicht mehr alle Geschäfte allein fertig bringen können und da müssen sie sich schon von den großen Leuten ein wenig helfen lassen. Verstehst du das?”
“Ja, Tante, ganz gut”, antwortete Mathildchen und befriedigt gingen sie weiter nach dem Markte, wo eine Bude neben der andern stand, angefüllt mit begehrenswerten Herrlichkeiten. Auch da ging es munter zu und namentlich vor dem Puppenladen standen ganze Reihen von Kindern, die zusahen, wie die Puppen sich an langen Fäden hin-und herschaukelten.
Georg und Mathildchen sperrten Mund und Nase auf, die Tante aber ging bald da, bald dort an eine Bude, sprach leise einige Worte und ließ dann geheimnisvoll etwas in ihre große Markttasche gleiten.
“Tante, kaufe mir auch etwas”, bat Mathildchen, “die Puppe mit dem rosa Kleid möchte ich gerne haben, die gefällt mir!”
“Mir auch kaufen, eine Peitsche!” rief Georg. “Ihr seid klug”, sagte die Tante, ”ihr wollt also schon heute und morgen noch einmal beschert haben?” “Ja, Tante, recht gern!” rief das kleine mutwillige Volk und - was sollte die gute Tante machen? Sie kaufte die Puppe und die Peitsche und als sie erstere gerade dem Mathildchen hinreichen und in die ausgestreckte Hand geben wollte, hörte sie hinter sich sagen: “Ach, wenn doch die schöne Puppe mein wäre!” Sie sahen sich alle um, da stand ein Häuflein Kinder beieinander, vier oder fünf, die waren ganz blau und rot gefroren, denn sie hatten nur schlechte, dünne Kleider an und der Wind zerzauste ihre gelben, unbedeckten Haare. Das Kind, welches gesprochen, war ein wenig kleiner als Mathildchen und streckte immer noch die Hand nach der Puppe aus, obgleich die größeren es am Rocke zupften und ihm wehrten. Ach, es hätte doch gar zu gern auch einmal in seinem Leben eine schöne, neue Puppe gehabt, aber es waren arme Kinder, für die Niemand den Christbaum schmückte und die sich mit dem bloßen Ansehen und Wünschen begnügen.
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“Möchtest du die Puppe haben?” sagte die Tante freundlich zu dem kleinen Mädchen und Mathildchen zog sie am Kleid und flüsterte: “Liebe Tante, kaufe dem Kind doch auch eine!”
Die Tante aber schüttelte den Kopf und da das kleine Mädchen nicht antwortete, sondern jetzt verschämt wegsah, fragte sie den größten Knaben, ob sie Geschwister seien, wie sie hießen und wo sie wohnten. Er gab auf alles ordentlich Antwort, die Tante schrieb es in ihr Notizbuch, dann nickte sie den Kindern freundlich zu und ging weiter. “Aber Tante - ”sagte Mathildchen ganz erstaunt. “Komm nur schnell”, lautete die Antwort, “es ist viel zu kalt, um lange still zu stehen und wir haben noch eine Menge Geschäfte. Nicht wahr, Mathildchen, die Puppe mit dem rosa Kleid gibst du gern dem kleinen Mädchen und Georg überlässt seine Peitsche dem dicken Jungen mit der Schmutznase, der gerade so groß ist wie er?” “Ja, Tante, sehr gern!” riefen die
Kinder, “aber sie sind ja nicht mehr da, wir haben sie im Gedränge verloren!” “Nur Geduld, sie werden sich schon wiederfinden. Da hat uns das unsichtbare Christkind einen teil seiner Arbeit übertragen und wir müssen uns eilen, dass wir unsere Sache gut machen. Ihr werdet schon sehen, wie das ist.”
Nun kaufte die Tante noch allerlei hübsche Spielsachen ein, auch einige warme Kleidungsstücke, dann verschiedenes Gebackenes, Glaskugeln, Wachskerzen und zuletzt ein kleines Bäumchen, das Mathildchen zu ihrer höchsten Freude nach hause tragen durfte. Das kleine Volk verging fast vor Neugierde, was es mit all den Dingen geben sollte, die Tante sagte aber nur: “Wartet bis heute Abend!”
Der Abend kam und mit ihm die trauliche Erzählerstunde. Die Kinder saßen eng an die Tante gedrückt und Georg seufzte so recht aus Herzensgrund. “Ach, jetzt brauchen wir nur noch einmal zu schlafen” - “und dann ist das liebe Christkindchen da!” fuhr Mathildchen fort und klatschte dabei jubelnd in die Hände. “Aber Tante, was erzählst du uns denn heute?” “Heute erzähle ich euch eine Geschichte vom Weihnachtsmarkt, die ist noch viel schöner als die unsrige werden wird; hört mir recht aufmerksam zu.
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Vor vielen, vielen Jahren, als ihr noch lange nicht auf der Welt waret, ist der Weihnachtsmarkt schon eben so schön gewesen, als heute und alle Kinder der Stadt, die armen wie die reichen, gingen hin, sich die Herrlichkeiten zu betrachten. Das Christkind hatte schon damals die Gewohnheit, sich unbemerkt unter die Menge zu mischen; über sein weißes Kleid hatte es einen langen, dunklen Mantel gezogen und sein Blondköpfchen unter einer Kapuze versteckt. Niemand konnte es erkennen, und so hörte es, was die Leute miteinander redeten, was sie sich wünschten und vornehmlich achtete es auf die Kinder, ob sie sich bescheiden oder habgierig und unartig auf dem Weihnachtsmarkt benahmen. Gegen Abend kam es an eine Bude, in der waren die schönsten Kinderspielsachen des ganzen Marktes zu finden, und sie war ganz umdrängt von Kindern, die voll Sehnsucht und Bewunderung die wundervollen Puppen, die Kochherde, die zierlichen Porzellangeschirre, die Puppenmöbel, sowie die buntaufgezäumten Pferdchen, die Flinten, Trommeln und Trompeten betrachteten. Eines machte das Andere auf immer neue Wunder aufmerksam und Christkind freute sich an ihrer Freude und lachte fröhlich mit ihnen. Auf einmal sah es ganz am Ende der Bude ein kleines Mädchen von etwa zehn Jahren stehen, das einen schweren, zappelnden Buben auf dem Arm hielt, der fortwährend in die Höhe reichte, so dass die Kleine große Mühe hatte, ihn festzuhalten. Sie musste sehr arm sein, denn sie hatte ein ganz dünnes Röckchen an und ihre Arme waren halb entblößt, aber das Haar war ordentlich gekämmt und in zwei feste Zöpfe geflochten, unter denen ein paar dunkelblaue Augen gar gutmütig und freundlich hervorschauten. Sie lächelte bald dem Brüderchen zu, bald betrachtete sie die schönen Dinge mit einer Freude, dass man sich selbst darüber freuen musste. Christkindchen ging zu dem Mädchen, legte ihm leise die Hand auf die Schulter und sagte mit seiner süßen Stimme:
“Liebes Kind, die Sachen da gefallen dir wohl sehr gut; wähle dir etwas davon aus, was du am liebsten haben möchtest, ich will es dir zum Weihnachtsgeschenke geben.”
Das Kind war dunkelrot vor Freude, seine Augen leuchteten und durchliefen die bunte Reihe, die vor ihm prangte. Da reichte das Brüderchen wieder jauchzend mit dem Händchen empor. Das Mädchen drückte das Kind an sich, folgte seinem verlangenden Blick und sagte dann schüchtern, indem es die Augen niederschlug: “Wenn sie mir wirklich eine Freude machen wollen, so geben sie meinem Brüderchen die goldglänzende Trompete, die da oben hängt, er möchte sie gar zu gerne haben.”
Dem guten Christkind kamen die Tränen in die Augen, als es das hörte. Das war ein Kind nach seinem Sinn. Es gönnte dem Brüderchen lieber eine Freude, als sich selbst. Schnell nahm Christkind die Trompete herunter, reichte sie dem Brüderchen hin, das hell auflachte und ging weiter”:
“Da hätte doch das Christkind dem guten Mädchen auch etwas geben können!” rief Mathildchen eifrig. “Sei nur ruhig und höre weiter zu, Christkind macht es noch viel besser.
Da es alle Menschen kennt, so wusste es, dass das brave Schwesterchen, welches seinen Bruder so lieb hatte, Mariechen hieß, dass seine Eltern sehr arm waren und sie ganz am Ende der Stadt in einem alten, kleinen Häuschen wohnten.
Am nächsten Abend war Weihnacht. Schon flammten überall die Christbäume, jauchzten und lärmten die Kinder, in dem kleinen Häuschen aber war es dunkel und still. “Wir sind zu arm, wir können das Christkind nicht bestellen”, sagte die Mutter zu ihren fünf Kindern, als sie beieinander saßen und Eines derselben fragte, ob nicht das Christkind auch zu ihnen käme. Dabei weinte sie und die Kinder taten es auch. Nur der kleine Bruder war vergnügt, der schmetterte laut auf seiner Trompete und das gute Mariechen, welches das älteste der Geschwister war, weinte auch nicht und sagte: “Ach, wir sind doch vergnügt, wir haben einander ja so lieb.” Auf einmal aber ward es lebendig vor dem kleinen Hause; es klingelte so sonderbar und leise durch die dunkle Nacht und da kam ja wahrhaftig ein Eselein einhergetrabt, neben dem ging ein dunkler Mann mit einem weißen, langen Bart und auf dem Esel saß ein wunderschöner Engel, mit weißen, glänzenden Flügeln und einem lichtblauen Gewande, das war wie der Winterhimmel mit flimmernden Sternen ganz übersät. Das konnte ja wohl niemand anders sein, als unser liebes Christkind mit seinem getreuen Nikolaus. Der band das Eselchen an der Türe fest, Christkind stieg ab, machte leise die Türe auf und Nikolaus trug die schweren Tragkörbe, die er dem Esel abgenommen, in das Haus hinein. In der Küche stellte sie alles nieder, dann schellte Christkind laut und lange, dass sie drinnen in der Stube in die Höhe fuhren und nach der Türe liefen, um zu sehen, was das bedeutete. Dass es so kommen würde, hatte sich der Nikolaus schon vorgestellt; er stand darum vor der Stubentüre und rief, als sie aufging, mit seiner Bärenstimme hinein: “Es soll niemand herauskommen, als das Mariechen!”
Da flohen alle vor Furcht wieder zurück und nur Mariechen kam unerschrocken heraus und sagte: “Da bin ich, was soll ich tun?”
“Komm in die Küche!” brummte der Nikolaus jetzt etwas sanfter und als sie hineinkam, da war diese ganz gefüllt von dem wunderbarsten Glanze und Mariechen sah das Christkind leibhaftig vor sich stehen. Nun erschrak es so sehr, dass es fast umgefallen wäre, Christkind aber fasste es in die Arme, küsste es auf die Stirne und sagte: “Kennst du mich noch?” und als Mariechen erstaunt mit dem Kopfe schüttelte, fuhr es fort: “Aber ich kenne dich, so wie ich alle guten und braven Kinder kenne. Ich war die Frau, die dir gestern auf dem Weihnachtsmarkt die Trompete für den Bruder gab, weil du ihm lieber als dir eine Freude gönntest und darum komm ich, um heute auch dir ein Vergnügen zu bereiten. Weil du so gerne gibst, sollst du jetzt deinen lieben Geschwistern und deiner Mutter an meiner Stelle bescheren. Ist dir das recht?”
Das gute Mariechen schluchzte laut vor Freude: “O Christkind”, rief es, soviel verdiene ich ja gar nicht.” “Weine jetzt nicht, Mariechen, sondern eile dich, wir müssen wieder fort”, sagte Christkind, “gehe hinein in die Stube und schicke sie alle in die Kammer, damit wir anfangen können.”
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Mariechen wusste nicht, ob es träume oder wache, aber es lief hinein in die Stube und rief zwischen Weinen und Lachen:
“Macht euch schnell alle hinein in die Kammer und guckt ja nicht durch`s Schlüsselloch, es kommt etwas sehr Schönes!”
Die Mutter wollte erst fragen, aber Mariechen bat sie so herzlich, mit den Geschwistern hinein zu gehen, dass sie sich fügte. Dann schloss Mariechen schnell die Tür hinter ihnen zu, lief in die Küche, dann wieder herein und holte auf Christkindchens Geheiß ein weißes Tuch aus dem Schrank, das es über den alten, schwarzen Tisch breitete. Nun fing der Nikolaus an auszupacken und seine Siebensachen in die Stube zu schleppen. Mitten auf den Tisch stellte er einen Christbaum, der war über die Maßen schön geschmückt und mit Lichtern ganz übersät. Der Baum stand in einem Moosgärtchen, indem weideten weiße Schafe mit goldnen Halsbändern und langen, roten beinen und ein Schäfer saß auf einem Felsen und blies auf seiner
Schalmei, man hörte es aber nicht. Dann wurde um den Baum herum große Herzlebkuchen gelegt, für die Mutter und jedes der Kinder einen. Auf jedem schichtete Christkind Äpfel, Nüsse und Anisgebackenes auf und legte die Päckchen daneben, die Nikolaus ihm reichte. Da war für die Mutter ein warmes Tuch, für Gretchen ein Kleidchen und eine schöne Puppe, für Hans eine Mütze und ein Lesebuch, für Jakob ein Kittel und eine Flinte und für den kleinen Trompeter, der spaßiger Weise auch gerade Peterchen hieß, warme Schuhe und Strümpfe und ein paar wundernette Pferdchen mit roten Zäumen. Mariechen half auspacken und auflegen und war ganz außer sich vor Freude. Als sie fertig waren, sagte Christkind: “Für dich Mariechen, habe ich nichts, was meinst du dazu?” “O, liebes Christkind”, rief Mariechen und hob die gefalteten Hände in die Höhe, “ich bin doch die Glücklichste von allen; du gibst mir das Schönste und Beste, indem ich den andern bescheren und ihre Freude sehen darf.”
“Recht so, meine Kleine”, antwortete das Christkind und küsste Mariechen wieder auf die Stirne, “bleibe so gut und liebevoll und es wird dir wohl gehen auf Erden und alle Menschen werden dich lieben!”
“Wir müssen fort”, mahnte der Nikolaus, “wir sind noch lange nicht fertig.”
“Ich komme schon, alter Brummbär”, sagte Christkind, breitete seine Flügel auseinander, lächelte Mariechen noch einmal freundlich zu und - fort waren sie. Nur ganz aus der Ferne hörte man noch Eselchens Glöcklein erklingen.
In dem engen Häuschen aber erhob sich jetzt ein Jubel und Jauchzen, wie es in keinem der reichen, stattlichen Häuser froher und herzlicher gewesen. Auf Mariechens Ruf waren sie aus der dunklen Kammer herausgestürzt, standen erst einen Augenblick wie versteinert und dann brach die helle Freude los.
“Ach, was für ein schönes Kleid! - Wie, eine Flinte für mich? Ich schieß euch alle tot: Piff, Paff, Puff! - Ein Buch, ein Buch! Daraus lese ich euch vor! - Zieh Gaul, zieh!” So ging es wohl eine Viertelstunde lang ohne aufzuhören, man war fast taub von dem Lärm.
“Aber Mariechen, du hast ja gar nichts”, riefen auf einmal die Geschwister, nachdem sie sich an ihren Geschenken und dem strahlenden Christbaum satt gesehen. Die Mutter, die bis dahin nur durcheinander gelacht und geweint hatte, nahm ihr Mariechen in den Arm, küsste und drückte es fest und sagte zu den andern: “Seht ihr nicht, dass sie das Beste bekommen hat. Weil sie so gern gibt, durfte sie uns geben, und das ist immer noch zehnmal seliger als nehmen.
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Die nun die Tante schwieg, denn die Geschichte war zu Ende, blieben die Kinder noch ein Weilchen sitzen, dann sagte Mathildchen:
“Tante, ich möchte die rosa Puppe, welche du mir heute gekauft hast, gerne dem kleinen Mädchen bescheren, das wir heute auf dem Markt gesehen. Wenn wir nur wüssten, wie es heißt oder wo es wohnt!”
“Und ich will die Peitsche bescheren!” rief Georg. “Wollt ihr gerne?” sagte die Tante; “nun, das ist schön, da haben wir ja alle drei den gleichen Gedanken, und ich weiß auch, wie die Kinder heißen und wo sie wohnen. Heute Abend erlaubt euch die Mama ein Stündchen länger aufzubleiben; da sollt ihr mir eine ganze Weihnachtsbescherung für sie rüsten helfen!”
Georg und Mathildchen klatschten vor Freude in die Hände und liefen geschäftig hin und her, der Tante zu helfen. Erst wurde das Tannenbäumchen hereingebracht, welches sie auf dem Markte gekauft hatten, wurde in ein Moosgärtchen gesteckt, in dem gleichfalls rotbeinige Schafe weideten, und hernach feierlich die große Tasche herbeigeschleppt, die so viele Schätze verschlungen hatte und sie nun alle wieder herausgeben musste.
Die Kinder bekamen Nadel und Faden, damit fädelten sie die Glasperlen ein, dann wickelten sie feinen Draht um die goldenen und silbernen Nüsse und knüpften lange Seidenfäden an die Konfektstücke. Die Tante hing alles auf, befestigte die Kerzchen an dem Baume und bald stand er fertig geschmückt vor ihnen. Dann wurden die Spielsachen und Kleidungsstücke, welche die Tante besorgt, herbeigeholt, für jedes Kind ein Päckchen davon gemacht und sein Name darauf geschrieben. Dass die rosa Puppe und die Peitsche mit dabei waren, versteht sich von selbst.
Sie waren kaum fertig, als es anklopfte und eine Frau hereintrat, die gar ärmlich, aber reinlich gekleidet war. Die Tante begrüßte sie freundlich und sagte zu ihr: “Liebe Frau, da haben wir, mein Mathildchen, mein Georg und ich eine kleine Christbescherung für ihre Kinder hergerichtet. Nehmen sie alles mit sich, verstecken sie es daheim und morgen Abend, wenn es fünf Uhr schlägt, zünden sie den Kinderchen den Christbaum an, da brennt er gerade zur selben Zeit mit den unsrigen.” Die Frau war überglücklich; sie drückte die Tante die Hand, küsste Georg und Mathildchen und packte dann mit deren Hilfe alles wohl zusammen.
Nun waren aber die Kinder sehr müde, so wie die Tante auch. Sie setzte sich mit ihnen noch einen Augenblick auf das Sofa und nahm jedes in einen Arm, da sagte Mathildchen, indem es sein Köpfchen an die Schulter der Tante legte: “Tante, ich bin so vergnügt! Ich denke gar nicht mehr daran, dass morgen schon Weihnachten ist, ich meine, es habe mir schon beschert!”
“Ich bin auch vergnügt, mein Goldkind”, antwortete die Tante, “denn das gibt eine Bescherung nach meinen Sinn. Aus den großen, allgemeinen Bescherungen, wo die armen Kinder in fremden Häusern und unter den Augen von fremden Leuten in einen Saal mit einigen Christbäumen getrieben werden, wo sie sich kaum umzusehen, noch weniger sich laut zu freuen wagen, und dann, wenn sie heimkommen, ihr dunkles Stübchen noch dunkler finden, mache ich mir im Grunde nicht viel. Wenn ich ein König wäre, müsste am Weihnachtsabend in jedem Häuschen, wo Kinder sind, ein Christbaum brennen und wäre er auch nicht größer als meine Hand!” Die Tante sagte das eigentlich nur für sich, denn die Kinder hätten es doch nicht verstanden und schliefen auch schon halb.
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Als es aber wieder Abend war, da brauchte die Tante nichts mehr zu erzählen, denn da war der heilige Christ selber gekommen und hatte alle Wünsche, Träume und Hoffnungen in glückselige Wirklichkeit verwandelt. Georg und Mathildchen waren außer sich vor Freude, sie wussten kaum, was sie zuerst und am meisten bewundern sollten. Mathildchen stand vor einer herrlichen Puppenküche und war bereits in voller Tätigkeit, einen Kuchen zusammen zu rühren, da rief sie plötzlich aus ihrem Jubel heraus:
“Ach Tante, eben denk ich dran! Jetzt ist es auch hell bei den armen Kindern und beschert es bei ihnen. Das ist doch noch das Allerschönste!” “Ja, das Allerschönste!” wiederholte Georg von seinem neuen Schaukelpferde aus.
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